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Netzhautchip – eine medizinische Sensation hilft Erblindeten

Ein Mikrochip revolutioniert die Augenmedizin: Er verhilft Erblindeten zu Seheindrücken. Ärzte implantieren das winzige Wunderwerk der High-Tech-Medizin in die Netzhaut. Dort ersetzt der Netzhautchip abgestorbene Nervenzellen. Noch ist der Patientenkreis klein und das Sehvermögen bleibt beschränkt. Doch Weiterentwicklungen könnten dies in Zukunft ändern.

Inhaltsverzeichnis

Wie funktioniert ein Netzhautchip?

Bisher haben Forscher zwei Typen von Netzhautchip entwickelt: Das Alpha IMS genannte Implantat erfanden Forscher der Universität Tübingen. Die US-amerikanische Variante nennt sich Argus II. Die Funktionsweisen gleichen sich: Beide Mikrochips weisen lichtempfindliche Fotosensoren sowie Elektroden auf, die die Netzhaut (Retina) aktivieren und somit Aufgaben der Netzhautzellen übernehmen. Dennoch gibt es einige Unterschiede.

Während bei der amerikanischen Netzhautprothese eine Tragedauer von zehn Jahren wahrscheinlich ist, muss der deutsche Chip nach fünf Jahren entfernt werden.

Der Chip Alpha IMS

Der 3 mal 3 Millimeter messende Chip ist kaum größer als ein Stecknadelkopf. Dadurch findet er direkt unter der Netzhaut Platz. Obwohl der Chip hauchdünn ist, befinden sich auf ihm 1.500 Fotodioden. Diese lichtempfindlichen Sensoren ersetzen nicht mehr funktionsfähige Zapfen – die Fotorezeptoren der Netzhaut. Auf die Netzhaut treffendes Licht geben sie als Impulse an einen ebenfalls im Chip sitzenden Verstärker weiter. Dieser erhöht die Intensität der elektrischen Signale. Stimulationselektroden übermitteln die Lichtimpulse an intakte, in der unteren Netzhautschicht befindliche Nervenzellen, die sogenannten Ganglienzellen, und aktivieren diese. Die Ganglien sind unmittelbar mit den Sehnerven verbunden. Diese übermitteln die Signale an das Sehzentrum des Gehirns, sodass es die Lichtreize entsprechend interpretiert.

Ein kleines Tragegerät versorgt das System von außen mit Strom. Ein hinter den Ohren implantierter Empfänger nimmt die vom Gerät drahtlos übertragene Energie auf und sendet sie über einen dünnen Draht an den Netzhautchip.

Die amerikanische Erfindung Argus II

Herzstück des amerikanischen Modells ist ebenfalls ein Netzhautchip. Anders als bei Alpha IMS pflanzen die Ärzte auf die Netzhaut einen Chip ein, der nur 60 Elektroden enthält. Die Sehqualität beeinflusst dies nicht, denn diese Erfindung funktioniert anders. Der Chip ist Teil eines größeren, computergesteuerten optischen Systems. Es umfasst den lichtempfindlichen Chip, eine Spezialbrille mit integrierter Minikamera und einen kleinen, umhängbaren Computer. Ein im Computertragegerät befindliches, batteriebetriebenes Steuerelement versorgt die Brille mit Strom, die ihn kabellos an den Netzhautchip weiterleitet. Anders als bei Alpha IMS erfordert dieses System daher kein Hautimplantat hinter den Ohren.

Die in die Brille eingesetzte Kamera filmt die Umgebung und überträgt die aufgenommenen Bilder an den Computer, der die Bildinformationen verarbeitet. Mittels individualisierbarer Einstellungen sind die Patienten in der Lage, die Bildverarbeitung zu steuern. Der Computer wandelt die Videoaufnahmen in elektrische Impulse um, die der Netzhautchip empfängt und weiterverarbeitet. Wie bei Alpha IMS leitet er sie an funktionsfähige Netzhautzellen weiter und stimuliert diese.

Wem hilft der Mikrochip?

Leider ist es nicht möglich, jedem blinden Menschen das Augenlicht mithilfe eines Netzhautchips wiederzugeben. So helfen die Chips beispielsweise nicht Menschen, die von Geburt an blind sind. Denn ihr Gehirn ist nicht in der Lage, die empfangenen Lichtsignale zu verarbeiten. Auch wenn ein Tumor oder eine Gehirnblutung zur Erblindung führte, ist eine Implantation aussichtslos.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist, dass der Sehnerv hinreichend funktioniert und nicht alle Nervenzellen der Netzhaut abgestorben sind. Dies ist nur bei Patienten gegeben, die von einer bestimmten Krankheit betroffen sind. Der in die Netzhaut implantierte Chip verbessert nur im Fall der erblich bedingten Augenkrankheit Retinitis pigmentosa das Sehvermögen. Als nicht sicher gilt, ob es in Zukunft möglich ist, Patienten mit altersbedingter Makuladegeneration zu behandeln. Immerhin glückte im Jahr 2015 in Großbritannien die Implantierung von Argus II bei einem Patienten mit dieser Netzhauterkrankung.

Vorerst bleibt Retinitis pigmentosa die einzige behandelbare Erblindung. In Deutschland sind etwa 30.000 bis 40.000 Menschen von dieser unheilbaren Erbkrankheit betroffen, die in vielen Fällen zur Erblindung führt. Sie stellt bei Erwachsenen die häufigste Form des Sehverlusts dar. Das Sehvermögen schwindet allmählich: Bereits als Jugendliche büßen die Patienten das Nachtsehen ein, auch das Gesichtsfeld reduziert sich. Nach und nach nimmt die Wahrnehmung von Farben und Kontrasten ab, und mit der Sehschärfe reduziert sich das Sehvermögen drastisch.

Ursache ist ein defektes Gen, das die Zerstörung der Netzhaut bewirkt. Die Stäbchen und Zapfen auf der Netzhaut, die Licht in elektrische Signale umwandeln, sterben ab.

Inwieweit verbessert die Ersatz-Netzhaut das Sehvermögen?

Eine künstliche Netzhaut als Chip stellt das Sehvermögen nicht vollständig wieder her, sondern beschränkt es auf bestimmte Seheindrücke. Die Wahrnehmung von Farben ist mit einem Netzhautchip nicht möglich. Das Gesehene bleibt undeutlich, da im Prinzip nur Unterschiede zwischen Hell und Dunkel wahrnehmbar sind. Bei wechselnder Helligkeit nehmen die Patienten über das Steuergerät eine Anpassung vor, um den Eindruck zu verbessern. Dennoch erkennen sie nicht viel mehr als Lichtquellen sowie die Konturen von Menschen und Gegenständen. Mitunter ist es ihnen aber auch möglich, die Gesichtsmimik zu erkennen und Bewegungen nachzuvollziehen. Unter Umständen können die Patienten Buchstaben ausmachen, doch bleiben sie beim Lesen auf die Brailleschrift angewiesen. Das entstehende Schwarz-Weiß-Bild mit verschieden stark ausgeprägten Graustufen gleicht einem grob gerasterten Pixelbild auf einem Computerbildschirm. Die Verbesserung der Sehschärfe liegt bei drei bis fünf Prozent.

Was nach wenig klingt, bedeutet für Sehbehinderte eine enorme Verbesserung im Vergleich zur vollständigen Blindheit. Schließlich ist es ihnen dank des Netzhautchips erstmals wieder möglich, etwas zu sehen. Derzeit arbeiten Wissenschaftler an verschiedenen Weiterentwicklungen, sodass der jetzige Stand der Forschung möglicherweise nur ein erster Schritt ist. Die Entwickler von Alpha IMS arbeiten beispielsweise an einer Erhöhung der Pixelzahl, was das Kontrastsehen sowie die Auflösung des wahrgenommen Bildes deutlich verbessern soll.

Wie verläuft die Behandlung?

Kommt für den Patienten die Implantation eines Netzhautchips infrage, unterzieht er sich einer mehrstündigen Operation. Bei circa 75 Prozent der Patienten glückt der operative Eingriff und verbessert das Sehvermögen. Nach der Operation ist ein mehrmonatiges Sehtraining erforderlich, bei dem die Patienten nicht nur die Handhabung des Steuergeräts erlernen, sondern auch die Verarbeitung der Sehinformationen üben.

Weltweit leben nur wenige hundert Menschen mit einem Netzhautchip. In Deutschland führen mehrere Augenkliniken die Operation durch, deren Kosten allerdings mindestens 100.000 Euro betragen. Ungeklärt ist bislang, ob die Krankenkassen die Kosten übernehmen.

Auf einen Blick

  • Ein in die Netzhaut implantierter Chip hilft Menschen, die durch die Krankheit Retinitis pigmentosa erblindet sind.
  • Bisher existieren zwei Chiparten: Alpha IMS und Argus II.
  • Netzhautchips verbessern die Wahrnehmung von Hell-Dunkel-Unterschieden und ermöglichen es, schemenhafte Bilder zu erkennen.

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