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Photorezeption – so wird die Welt sichtbar

Visuelle Wahrnehmung ist nicht nur eine der genialsten Ideen der Evolution, sondern auch eine sehr alte. Schon einzellige Lebewesen orientieren sich mithilfe von Lichtstrahlen: Photorezeption. Die hochkomplexen Systeme, die uns Menschen zum Sehen verhelfen, können bedeutend mehr, funktionieren jedoch immer noch nach den gleichen bewährten Prinzipien.

Inhaltsverzeichnis

Was bedeutet Photorezeption?

Als Photorezeption – Lichtwahrnehmung – bezeichnet man die Fähigkeit lebender Organismen, Lichtreize zu empfangen, zu verarbeiten und zu interpretieren. Lichtwahrnehmung ermöglicht es, sich ein Bild von der Umgebung zu machen, sich zu orientieren und auf die Umwelt zu reagieren. Bei vielen Tierarten spielt das Sehen freilich nur eine untergeordnete Rolle, da andere Sinne wie der Geruchssinn oder das Gehör besser entwickelt sind. Für den Menschen stellt seine hochentwickelte Fähigkeit zum Sehen neben dem Gehör jedoch die wohl bedeutendste Quelle von Informationen über seine Umwelt dar.

Wie entsteht Lichtwahrnehmung?

Das sichtbare Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen unterschiedlicher Wellenlängen. Sein Spektrum reicht von etwa 380 Nanometern (Violett) bis 640 Nanometern (Rot); an den Enden des Spektrums schließen sich die nicht mehr sichtbaren Ultraviolett- (UV-)Strahlungen und Infrarot an, das als Wärmestrahlung wahrgenommen werden kann. Nur in diesem vergleichsweise winzigen Ausschnitt des elektromagnetischen Wellenspektrums findet Lichtsehen statt.

Licht ist eine energiereiche Strahlung, die den Zustand bestimmter chemischer Verbindungen verändern und biochemische Prozesse in Gang setzen kann. Die Lichtenergie wird dabei von den beteiligten Molekülen absorbiert und kann für die unterschiedlichsten Zwecke eingesetzt werden. Im Laufe der Evolution haben Lebewesen sehr unterschiedliche und komplexe Wege entwickelt, um die Energie des Lichts zu nutzen – zum Beispiel zur Bildung von Vitaminen in der Haut oder zur Synthese von Zucker bei Grünpflanzen. Beim Lichtsehen löst die im Licht enthaltene Energie in lebenden Zellen eine Kaskade von Reaktionen aus, die dazu führen, dass ein elektrisches Signal gebildet wird. Die ungleiche Verteilung negativ und positiv geladener Teilchen innerhalb und außerhalb der Zelle lässt eine winzige Spannung entstehen, das sogenannte Membranpotenzial. Bei der sogenannten Sehkaskade wird die Verteilung elektrisch geladener Teilchen (Ionen) innerhalb und außerhalb der Zelle verändert, sodass es zu einer kurzzeitigen Veränderung des Membranpotenzials kommt. Dadurch entsteht ein Signal, das an eine benachbarte Nervenzelle weitergegeben werden kann. Aus Millionen solcher zellulärer Signale kann das Gehirn ein Bild der Außenwelt errechnen.

Was sind Photorezeptoren?

Photorezeptoren sind im Grunde biologische Lichtsensoren. Es handelt sich um spezialisierte Zellen, die einen bestimmten Farbstoff, ein Sehpigment, enthalten. Solche Sehpigmente sind beim Menschen wie folgt zu finden:

  • Der purpurfarbene Farbstoff Rhodopsin findet sich vor allem in den Stäbchen der Netzhaut, spezialisierten Zellen, die für das Hell-Dunkel-Sehen verantwortlich sind.
  • Beim Farbsehen, das durch einen anderen Zelltyp, die Zäpfchen, organisiert wird, spielt ein Sehpigment namens Iodopsin eine Rolle.

Diese Pigmente werden in den Netzhautzellen in sogenannten Discs übereinandergestapelt. Dadurch wird die Energieausbeute aus dem einfallenden Licht erhöht. Die dicht gepackten Pigmentstapel sind im mikroskopischen Bild wie kleine Münzstapel sichtbar. Die aus dem Licht gewonnene Energie nutzen Photorezeptoren, um ein elektrisches Signal zu bilden, das über verschiedene Nervenbahnen zu den Sehfeldern der Großhirnrinde geleitet wird.

Wie funktionieren Photorezeptoren?

Sehpigmente wie Rhodopsin oder Iodopsin sammeln die im Licht enthaltene Energie ein und setzen damit die Kettenreaktion in Gang, die als Sehkaskade bezeichnet wird. Hierbei reagieren verschiedene in der Zelle enthaltene Eiweiße und biochemische Katalysatoren (Enzyme) miteinander, wodurch die Zellmembran weniger durchlässig für elektrisch geladene Teilchen (Ionen) wird. Die Photorezeptor-Zelle pumpt fortwährend positiv geladene Ionen wie Kalium- oder Natriumionen aus dem Zellinneren nach außen. Gleichzeitig strömen jedoch positive Ionen durch offene Poren in der Membran ins Zellinnere, sodass das Membranpotenzial konstant bleibt. Wenn Licht auf die Photorezeptor-Zelle fällt und die Sehkaskade sich entfaltet, schließen sich die Poren, durch die positiv geladene Ionen ins Zellinnere strömen können. Das hat gravierende Folgen: Das Membranpotenzial steigt – es kommt zu einer sogenannten Hyperpolarisation der Zelle. Diese Hyperpolarisation führt dazu, dass die Zelle an einer Kontaktstelle mit einer benachbarten Nervenzelle einen Botenstoff namens Glutamat freisetzt, wodurch nun die Nervenzelle ihrerseits mit einem elektrischen Signal „feuert”. Dieses Signal wird über einen langen Fortsatz – das Axon – ins Innere des Gehirns weitergeleitet. Millionen solcher Axone, durch Hüll- und Bindegewebszellen miteinander verbunden, bilden die Sehnerven, die von den Augen zum Gehirn ziehen.

Wissenswertes über Photorezeption im Überblick:

  • Als Photorezeption bezeichnet man die Fähigkeit von Lebewesen, Licht wahrzunehmen und darauf zu reagieren.
  • Photorezeptoren sind biologische Lichtsensoren – spezialisierte Zellen, die bei Lichteinfall ein elektrisches Signal bilden können.
  • Photorezeptoren enthalten Sehpigmente, die die Energie des Lichts absorbieren und für biochemische Reaktionen bereitstellen können.
  • Die aus dem Licht gewonnene Energie setzt die Sehkaskade in Gang, eine Kettenreaktion, bei der sich der elektrische Spannungszustand der Rezeptorzelle erhöht.
  • Die erhöhte Spannung (Hyperpolarisation) wird über den Botenstoff Glutamat an eine benachbarte Nervenzelle weitergegeben, die das elektrische Signal ans Gehirn weiterleitet.

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