Rot-Grün-Schwäche (Protanomalie/Deuteranomalie)
Die Rot-Grün-Schwäche ist eine Störung des Farbsehens, genauer gesagt des Sehens der Farben Rot und Grün. Die Fachbegriffe hierfür sind Deuteranomalie für die Grünschwäche und Protanomalie für die Rotschwäche beziehungsweise Deuteranopie und Protanopie, wenn eine vollständige Rot-Grün-Blindheit vorliegt. Lesen Sie hier alles über Symptome, Ursachen und Heilungschancen.
Inhaltsverzeichnis
Was genau ist eine Rot-Grün-Schwäche?
Der Begriff Rot-Grün-Schwäche bezeichnet eine angeborene, erblich bedingte Störung des Farbsehens, bei der die Betroffenen die Farben Rot und Grün nicht so gut unterscheiden können wie Normalsichtige. Die Rot-Grün-Schwäche kommt in unterschiedlichen Ausprägungen vor und umfasst zwei Arten. Bei der Grünschwäche (Deuteranomalie) haben die Betroffenen Probleme, Grün richtig zu sehen und es von Rot zu unterscheiden. Bei der Rotschwäche (Protanomalie) haben die Betroffenen Schwierigkeiten, Rot wahrzunehmen und es von Grün zu unterscheiden. Nicht zu verwechseln ist die Rot-Grün-Schwäche mit der echten Farbenblindheit (Achromasie), bei der die Betroffenen überhaupt keine Farben wahrnehmen können. Nur selten wird eine vollständige Rot-Grün-Blindheit diagnostiziert.
Normalsichtige Menschen verfügen auf der Netzhaut (Retina über drei Sinneszellen, die sogenannten Zapfen, die es ihnen ermöglichen, Farben zu unterscheiden:
- Die rotempfindlichen L-Zapfen (long wavelength receptor)
- Die grünempfindlichen M-Zapfen (medium wavelength receptor)
- Die blauempfindlichen S-Zapfen (short wavelength receptor)
Die Farbpigmente in den Zapfen werden je nach Wellenlänge des einfallenden Lichts unterschiedlich gereizt und lösen verschiedene Farbempfindungen im Gehirn aus. Aus der Mischung von Rot, Grün und Blau entstehen so alle Farbtöne, die wir optisch wahrnehmen können. Menschen, bei denen alle drei Zapfentypen vorhanden und funktionsfähig sind, werden als Trichromaten bezeichnet. Besitzt ein Mensch keinen funktionierenden Zapfen für das Rotsehen, liegt eine Rotblindheit (Protanopie) vor. Bei einer Grünblindheit (Deuteranopie) funktioniert dementsprechend der grünempfindliche Zapfentyp nicht. Dies hat zur Folge, dass der Betroffene Rot und Grün als graue Flächen wahrnimmt. In beiden Fällen spricht man von einer Dichromasie, da nur zwei funktionierende Zapfentypen vorhanden sind.
Menschen mit einer Rot-Grün-Schwäche sind Trichromaten. Alle drei Zapfentypen funktionieren – nur nicht einwandfrei, sodass die Farben matter und farbloser wahrgenommen werden. Bei defekten M-Zapfen spricht man von einer Deuteranomalie, bei defekten L-Zapfen von der Protanomalie, wobei die Grünschwäche deutlich häufiger vorkommt. Sie macht etwa die Hälfte aller angeborenen Farbsehstörungen aus. Ohnehin ist die Rot-Grün-Schwäche die häufigste Farbsehstörung. Da es sich dabei um eine geschlechtsgebundene Erbkrankheit handelt, sind insgesamt etwa 8 bis 9 Prozent aller Männer, aber nur 0,5 bis 0,8 Prozent aller Frauen betroffen.
Wie äußern sich Deuteranopie und Protanopie?
Bei einer Rot-Grün-Schwäche nehmen die Betroffenen Gelb-, Orange-, Rot- und Grüntöne lediglich als unterschiedlich intensive Nuancen ein und derselben Farbe wahr. Menschen, die vollständig rotblind beziehungsweise grünblind sind, können diese Farben überhaupt nicht erkennen und nehmen sie gräulich wahr. Ihr Farbsystem besteht nur aus Blau und Gelb. Eine angeborene Farbsehstörung bleibt in ihrem Verlauf konstant. Sie verbessert und verschlechtert sich nicht und wirkt sich auch nicht auf die Sehschärfe aus.
In der Regel sind Betroffene von ihrer Farbsinnstörung nicht besonders beeinträchtigt und entwickeln einen ähnlichen ästhetischen Farbeindruck wie normalsichtige Menschen. Oft bleibt die Rot-Grün-Schwäche sogar jahrelang unentdeckt. Mögliche Nachteile im Alltag können dennoch auftreten:
- Farbenreich gestaltete Publikationen (vor allem im Internet) werden von Menschen mit Rot-Grün-Schwäche oft nicht als solche erkannt, weil sie rot hervorgehobene Elemente nicht als Hervorhebungen wahrnehmen. Auch Abbildungen mit unterschiedlichen Farbnuancen sind manchmal schwer lesbar.
- Spielehersteller färben Spielsteine häufig in den Farben Rot und Grün ein, was es für Betroffene schwierig macht, diese zu unterscheiden.
- Bei Menschen mit einer Protanomalie besteht beim nächtlichen Autofahren die Gefahr, dass sie eine rote Ampel zu spät erkennen und nicht rechtzeitig reagieren können. Menschen mit einer Deuteranomalie kann dies ebenfalls passieren. Da eine grüne Ampel jedoch keine Reaktion erfordert, stellt das keine Gefahr dar.
- Manche Luft- oder Wassersportarten können nicht ausgeübt werden, weil die Farben Rot und Grün etwa für die Unterscheidung zwischen Backbord und Steuerbord wichtig sind.
Wie wird die Rot-Grün-Schwäche diagnostiziert?
Eine Diagnose der Farbsehstörung wird meistens im Rahmen eines Farbsehtests gestellt. Dieser erfolgt mithilfe von Farbtafeln, den sogenannten Ishihara-Tafeln. Das Prinzip dieser von einem japanischen Augenarzt entwickelten Tafeln basiert auf Bildern, die sich aus verschiedenfarbigen Punkten zusammensetzen. Der Betroffene sieht sich mehrere Farbtafeln an, auf denen Zahlen – bestehend aus verschiedenen Farbflecken – abgebildet sind. Erkennt er alle Zahlen richtig, ist er normalsichtig. Erkennt er einige Zahlen nicht oder falsch, liegt eine Farbsehstörung vor. Je nachdem, welche der gezeigten Zahlenproben erkannt wurden, kann der Arzt den Grad der Farbsinnstörung diagnostizieren.
Auch die Anomoloskop-Untersuchung beim Augenarzt ist eine Möglichkeit, eine Rot-Grün-Schwäche festzustellen. Dabei blickt der Betroffene durch ein Rohr auf eine Prüfscheibe, die aus zwei Hälften besteht. Eine Hälfte zeigt einen Gelbton, den der Proband auf der anderen Hälfte nachahmen muss, indem er die Farben Rot und Grün mischt. Je nachdem, wie viel von einer Farbe der Betroffene hinzugegeben hat, um den Gelbton zu erzeugen, erkennt der Arzt, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß eine Rot- beziehungsweise Grünschwäche vorliegt.
Das Anomoloskop ist oft auch das Gerät, mit dem Farbsinntests für bestimmte Führerscheine (zum Beispiel Motorboot, Fluglizenzen) oder Berufe durchgeführt werden. Bei bestimmten Berufen ist ein Farbsinntest zur Erkennung von Eignung und Belastungen am Arbeitsplatz vorgeschrieben. Bei diesen Berufen ist es wichtig, zwischen Rot und Grün unterscheiden zu können. Andernfalls können sie nicht ausgeübt werden. Dazu gehören zum Beispiel:
- Lokführer
- Busfahrer
- Polizist
- Taxifahrer
Welche Vorteile kann eine Farbsinnstörung haben?
Eine Farbsinnstörung hat aber auch Vorteile: Menschen mit Deuteranopie können zum Beispiel in der Dämmerung erheblich besser sehen als Menschen ohne Einschränkung des Farbsehens. Darüber hinaus lernen die Betroffenen mit der Zeit, braune und gelbe Farbtöne viel facettenreicher und intensiver wahrzunehmen. Studien haben gezeigt, dass Farbfehlsichtige viel mehr Khakitöne unterscheiden können als Normalsichtige. Deswegen werden sie gerne beim Militär eingesetzt, beispielsweise um die Wirksamkeit neuer Tarnanzüge zu testen.
Wie entstehen Protanomalie und Deuteranomalie?
In den meisten Fällen ist die Rot-Grün-Schwäche erblich bedingt und nicht durch eine Verletzung des Sehnervs erworben. Es handelt sich um einen Gendefekt auf dem geschlechtsspezifischen 23. Chromosom, dem X-Chromosom. Das ist auch der Grund dafür, warum Männer weit häufiger betroffen sind als Frauen. Chromosomen treten immer paarweise auf. Frauen verfügen über zwei X-Chromosomen. Befindet sich das defekte Gen, das rezessiv ist, auf einem X-Chromosom, gibt es immer noch das zweite, auf dem das dominante Gen für die Erkennung von Farbe liegt – der Defekt wird ausgeglichen. Bei Männern hingegen ist das zweite 23. Chromosom ein Y-Chromosom, auf dem es keine Anlage für das Farbsehen gibt. So kann das defekte Gen auf dem X-Chromosom nicht kompensiert werden. Für eine Grün- beziehungsweise Rotschwäche müssen bei Frauen somit beide X-Chromosomen defekt sein, was weitaus seltener vorkommt als nur ein defektes X-Chromosom, das bei Männern für eine Farbsinnstörung bereits ausreicht. In dieser geschlechtsspezifischen Verteilung unterscheidet sich die Rot-Grün-Schwäche von der Blaublindheit (Tritanopie).
Die Möglichkeiten der Vererbung einer Rot-Grün-Schwäche oder gar einer Protanopie oder Deuteranopie lassen sich aufgrund der geschlechtsgebundenen Verteilung nahezu exemplarisch für die Vererbungslehre durchspielen:
- Sind weder Vater noch Mutter rot-grün-blind, liegt immer noch die Wahrscheinlichkeit vor, dass sich der Defekt in einem der X-Chromosomen der Mutter versteckt. Demnach werden die Töchter keine Farbsinnstörung haben, die Söhne jedoch schon, sofern sie das defekte X-Chromosom der Mutter geerbt haben.
- Ist die Mutter von einer Grün- oder Rotschwäche betroffen, wird diese automatisch an die Söhne vererbt, weil das von ihr weitergegebene X-Chromosom auf jeden Fall defekt ist. Die Töchter sind nur dann von der Schwäche betroffen, wenn auch der Vater eine Rot-Grün-Schwäche hat, weil in diesem Fall auch das von ihm vererbte X-Chromosom defekt ist. Ist der Vater nicht betroffen, sind sie zumindest Trägerinnen des Merkmals und könnten dieses wiederum an ihr Kind weitergeben.
- Hat der Vater eine Rot-Grün-Schwäche und die Mutter verfügt über zwei X-Chromosomen ohne Defekt, wird keines der Kinder die Farbsehschwäche erben, da die Söhne nur das Y-Chromosom des Vaters erben und die Töchter zum Ausgleich über ein zweites X-Chromosom verfügen. Sie sind jedoch wiederum Trägerinnen des Defekts und es besteht eine große Chance, dass ihre Söhne, sprich die männlichen Enkel, die Rot-Grün-Schwäche des Großvaters erben.
Lassen sich Grünblindheit und Rotblindheit heilen?
Ist die Deuteranopie beziehungsweise Protanopie angeboren, was in der Regel der Fall ist, lässt sie sich nicht beheben. Für Menschen mit einer Rot-Grün-Schwäche – das heißt, die Zapfen für Rot und Grün sind vorhanden – gibt es jedoch Brillen, die eine bessere Farbwahrnehmung ermöglichen. Viele Betroffene empfinden solch eine Brille als äußerst hilfreich. Sie ähnelt vom Funktionsprinzip her einer Sonnenbrille: Die Gläser filtern bestimmte Wellenlängen des einfallenden Lichts heraus und bieten dadurch einen besseren Farbeindruck von Rot und Grün.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Bei der Rot-Grün-Schwäche handelt es sich um eine angeborene Störung des Farbsehens.
- Die Farbsehschwäche, die selten als vollständige Rot-Grün-Blindheit auftritt, entsteht durch einen Gendefekt des 23. Chromosoms; Männer sind davon wesentlich häufiger betroffen als Frauen.
- Die Betroffenen können Gelb-, Orange-, Rot- und Grüntöne nur als unterschiedliche Nuancen, nicht aber als verschiedene Farben wahrnehmen. Im Alltag sind sie jedoch kaum eingeschränkt.
- Da die Rot-Grün-Schwäche erblich bedingt ist, lässt sie sich nicht heilen. Es gibt jedoch bestimmte Brillen, die für eine bessere Farbwahrnehmung sorgen.
Quellen
Handbuch für Augenoptik. Herausgegeben von Carl Zeiss, 4. Auflage. 2000.
paradisi.de – Rot-Grün-Blindheit – Sehschwäche mit Schwierigkeiten bei der Unterscheidung von Rot und Grün
gesundpedia.de – Rot-Grün-Schwäche
mein-gesundheitsnetz.com – Rotblindheit
Bild-Quelle: https://unsplash.com/de/fotos/I5XthC605H0
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