Hemianopsie: Der halbseitige Verlust des Sehvermögens
Menschen, die unter Halbseitenblindheit leiden, sind nicht blind auf einem Auge. Vielmehr ist das Gesichtsfeld entweder links- oder rechtsseitig eingeschränkt. Das führt für die Betroffenen zu allerlei Problemen – denn ein Gesichtsfeldausfall bringt Unsicherheiten im Alltag mit sich. Hier lesen Sie, worum genau es sich bei der Hemianopsie handelt, welche Ursachen dahinterstecken und welche Behandlungen möglich sind.
Inhaltsverzeichnis
Was genau ist eine Hemianopsie?
Bei der Hemianopsie handelt es sich um einen Gesichtsfeldausfall: Dieser kann sowohl auf einem als auch beiden Augen auftreten. Kommt es einseitig zu einem Gesichtsfeldausfall, spricht man von einer monokularen Hemianopsie. Sind beide Augen betroffen, handelt es sich hingegen um eine binokulare Hemianopsie.
Abzugrenzen ist die Halbseitenblindheit vom Skotom – auch eine Form des Gesichtsfeldausfalls. Patienten, die unter einem Skotom leiden, können einen rundlichen oder inselförmigen Bereich innerhalb des Gesichtsfeldes nicht mehr wahrnehmen. Bei der Hemianopsie kommt es hingegen zu Gesichtsfeldausfällen, die halbseitig rechts oder links sind. Tritt die Hemianopsie auf beiden Augen links auf, so wird dies als Homonyme Hemianopsie bezeichnet. Ist auf dem linken Auge die linke Seite und auf dem rechten Auge die rechte Seite betroffen, handelt es sich um die Heteronyme Hemianopsie.
Die Symptome der Halbseitenblindheit
Das Gesichtsfeld ist der Bereich, der gesehen wird, wenn beide Augen geradeaus blicken. Durch die Hemianopsie ist dieses Gesichtsfeld eingeschränkt. So kann es der betroffenen Person passieren, dass Gegenstände oder auch Personen nicht richtig gesehen werden. Es kommt zum Beispiel häufig vor, dass Hemianopsie-Patienten sich an Türrahmen oder Ähnlichem stoßen oder bekannte Personen erst spät erkennen. Diese Einschränkung des Gesichtsfeldes ist oft mit einem Gefühl der Unsicherheit verbunden, denn den Patienten fällt es aufgrund des eingeschränkten Sichtfelds schwerer, sich einen Überblick zu verschaffen. Selbst beim Lesen der Zeitung oder beim Durchblättern einer Zeitschrift kann es zu Orientierungsschwierigkeiten kommen.
Hemianopsie: Welche Ursachen kommen infrage?
Der Halbseitenblindheit liegen meist Erkrankungen des Gehirns zugrunde. Die häufigsten Ursachen sind Schlaganfall, Gehirntumore, Traumata, Blutungen oder die Folgen einer Operation. Die Hemianopsie kann jedoch auch im Zuge einer Migräne auftreten – in diesem Fall ist die Halbseitenblindheit meist vorrübergehend. Auch im Zusammenhang mit sehr hohem Blutdruck oder epileptischen Anfällen kann sich eine vorübergehende Hemianopsie ergeben.
Durch die oben aufgelisteten Ursachen entstehen Läsionen an der Sehbahn im Gehirn. Je nachdem, welche Stelle der Sehbahn betroffen ist, äußern sich die Gesichtsfeldausfälle auf verschiedene Weise – zum Beispiel als Heteronyme oder Homonyme Hemianopsie.
Hemianopsie: Ist eine Therapie möglich?
Bei einer Hemianopsie sind zwei Therapien denkbar – beide Ansätze sind neuropsychologischer Natur. Die Methode Nummer eins wird als Restitutionstraining bezeichnet. Ziel dieser Maßnahme ist eine bestmögliche Wiederherstellung der Sehfunktion. Methode Nummer zwei nennt sich Kompensationstraining. Bei diesem Behandlungsansatz wird darauf hingearbeitet, die Beeinträchtigungen möglichst effektiv auszugleichen. Trotzdem lassen sich Gesichtsfeldausfälle in mehr als 95 Prozent der Fälle nicht rückgängig machen – zumindest nicht vollständig.
Das Restitutionstraining erfolgt durch visuelle Reize – zum Beispiel durch Licht oder Farbe. Durch diese Reize sollen die Bereiche zwischen dem funktionierenden und dem defekten Teil des Gesichtsfelds stimuliert werden. Auf diese Weise wird zumindest eine partielle Wiederherstellung des Gesichtsfelds angestrebt. Zu beachten ist, dass dieser Therapieansatz der Halbseitenblindheit in der Medizin umstritten ist. Aus diesem Grund wird die Therapie meist nicht von Krankenkassen bezahlt.
Beim Kompensationstraining stehen Übungen im Fokus der Therapie: Diese Übungen bestehen aus gezielten Augenbewegungen und Suchstrategien, die nach dem Erlernen auch einfach zu Hause oder unterwegs durchgeführt werden können – zum Beispiel beim Einkaufen oder beim Lesen der Tageszeitung. Eine Hemianopsie raubt den Betroffenen viel Lebensqualität: Durch ein richtig angewandtes Kompensationstraining können die Beeinträchtigungen relativ schnell gemindert werden, damit sie ein Stück ihrer Lebensqualität zurückerlangen. Auch die Sicherheit im Alltag steigt.
Die Übungen dienen im Grunde dazu, das Suchverhalten zu trainieren – also mit der Einschränkung leben zu lernen. Dazu zählt zum Beispiel das Sakkadentraining: Sakkade ist der Fachbegriff für sprunghafte und schnelle Augenbewegungen, welche von Menschen, die unter einer Halbseitenblindheit leiden, wesentlich seltener vorgenommen werden. Sakkaden sind jedoch wichtig für die Orientierung – ohne sie ist es schwer, Personen oder auch Gegenstände zu erfassen. Mittels des Sakkadentrainings wird das Suchfeld der Patienten trainiert, sodass sie Sicherheit zurückgewinnen. Das Training erfolgt durch extra zu diesem Zweck entwickelte elektronische Programme. Diese sind so konzipiert, dass die Patienten bestimmte visuelle Reize auf dem Bildschirm suchen – am besten mit einer einzigen Blickbewegung.
Auch das Lesetraining ist ein wichtiger Bestandteil des Kompensationstrainings. Menschen, die an einer Hemianopsie leiden, haben aufgrund des stark eingeschränkten Gesichtsfelds Probleme zu lesen. Ziel ist es, die Lesebewegungen an die Grenzen des Gesichtsfelds anzupassen. Auch hierfür gibt es speziell entwickelte Programme. Doch auch zu Hause kann man das Lesen effektiv trainieren: Am besten eignen sich kurze Texte und ein Lineal zur Unterstützung. Entscheidend ist, dass der Kopf während dieser Übung geradegehalten wird – das Suchen der Zeilen und Wörter soll ja gerade mittels Augenbewegungen erfolgen.
Zudem ist das Explorationstraining Teil der Kompensations-Therapie. Auch dieses dient der Vergrößerung des Suchfelds von Hemianopsie-Patienten. Dazu kann man einfach Blatt und Stift nutzen: Der Betroffene soll bestimmte Wörter, Zahlen oder Symbole auf dem Blatt suchen. Dabei bleibt der Kopf gerade – nur die Augen übernehmen das Suchen.
Fazit zur Hemianopsie
- Die Hemianopsie, auch Halbseitenblindheit genannt, ist ein Gesichtsfeldausfall, der entweder ein Auge oder beide Augen betreffen kann. Die Gesichtsfeldausfälle sind entweder rechts- oder linksseitig.
- Aufgrund der Ausfälle ist das Gesichtsfeld der Betroffenen meist stark eingeschränkt, sodass sich eine gewisse Orientierungslosigkeit und Unsicherheit einstellt.
- Ursachen sind meist Schädigungen der Sehbahnen, die verschiedene Auslöser haben können: Schlaganfälle, Blutungen, Gehirntumore oder auch Folgen einer Operation. Selbst Migräne kann zu einer Halbseitenblindheit führen.
- In den meisten Fällen können Gesichtsfeldausfälle nicht rückgängig gemacht werden. Doch Restitutions- und Kompensationstraining können wirkungsvolle Maßnahmen sein.